Vom Eiswürfelwasser zum Buch-Gewissen.
Social-Media nervt manchmal ordentlich.
Kaum ist die Welle der Eiswürfelwasser-über-den-Kopf-schütt-Videos abgeebbt - was wenigstens einen guten Zweck hatte, nervt die nächste Challenge. Nun gut, diesmal muss man nur sein Hirn bemühen. Oder im Regal kramen. Zehn Bücher, die einen beeinflussten soll man auflisten.
Als man noch Schwarz-Weiss fotografierte...
Nein. Ich kann das nicht. Nur 10 Bücher. Aus den wasweissichwieviel Metern, die sich einst in Ivar-Kiefer und später in pseudonoblem Billy-Schwarz stapelten, da nur zehn... Nein, geht nicht. Keine Ahnung mehr, wie viele verschenkt, bei Übersiedlungen verloren oder bei den Ex verblieben sind. Der Rest in dem traurigen Karton-Dasein im Lager. Nein, ich habe keine zehn, ich habe hunderte Bücher, die ich liebe oder zumindest einmal liebte, verschlang, die ganze Nacht durch nicht aufhören konnte zu lesen. Aber beeinflusst haben mich vermutlich alle irgendwie.
Eigentlich waren das Phasen. Kindheit mit Pippi Langstrumpf, Struwelpeter, Max und Moritz, später dann Karl May und Jules Verne. In der Oberstufe dann Erich Däniken. Stundenlange Diskussionen mit dem Religions- und den Geschichts-Professoren waren die Folge. Nur als Beispiele, da waren schon noch viel mehr. Das waren süchtig machende Bände, damals, in der Vor-Bildschirm-Zeit.
Schule. Kästner, Fontane, Storm, Goethe, Schiller, Morgenstern, Lessing, Hesse und so. Den Faust kann ich heut noch auswendig, Naja die ersten paar Absätze. Die Glocke, die Brück' am Tay, Bürgschaft – das hat uns alles beeinflusst. Irgendwie. Positiv oder Trotz verstärkend. Wir Mini-Revoluzzer damals. Nein, 68 gabs ja bei uns nicht wirklich, nur so ein bisserl Flower-Power in den 70ern. Aber da ist ja auch international nirgends wirklich was über. Schade eigentlich. Ein Buch aus dem Gymnasium hab ich heute noch ab und zu in der Hand. Putzger-Lendl-Wagner. Geschichtsatlas. Damals verhasst, heute zerfleddert.
Sport. Naja, wenn man aktiv Sport betreibt, gibt’s da auch Bücher, die einem wichtig sind, aus denen man sich was holt, um seinem Trainer eins auszuwischen. Da hatte ich viele, Schwimmen, Turniertanz, Springreiten, hab ja allerlei seltsames ganz gut können. Aber die Bücher von damals? Keine Ahnung, ob da noch welche in den Bananenkisten sind.
Erste Liebe. Lyrik und Musik. Unzählige Bücher und Schallplatten. Ja natürlich Rilke und zuvor schon erwähnte Ausnahme-Schreiber. Aber vor allem auch die Wiener, allen voran H.C.Artmann. „Med ana schwoazzn dintn“ war sicher ein Buch, das mich beeinflusst hat. Aber auch Altenberg, Perutz, Friedell, Karl Kraus, Kisch bis hin zu Merz, Farkas oder Qualtinger. Heute müsste man Peter Ahorner nennen. Das sind soo viele. Wir sind ja mit diesen wienerischen Texten und Liedern dann sogar aufgetreten. Sogar eine CD gibt’s davon.
In diese Zeit fallen wohl auch die ersten englischen Werke, die sich im Laufe der Jahre auch ein paar Laufmeter Ikea eroberten – und der Cassels, den ich damals statt Google-Translate immer zur Hand hatte, steht noch heute in seinem x-mal gepickten rot-glänzendem Umschlag in meinem Regal beim Schreibtisch, gleich neben Duden und den anderen Dictionarien der verschiedenen Sprachen.
Und natürlich müsst man eigentlich auch die Tschinbumm-Literatur überlegen, hat einen Simmel damals beeindruckt? Zumindest eine Verfilmung. Oder Jerry Cotton, Malko und das Zeugs? Die unzähligen Bücher, die man damals noch in den Urlaub mitschleppte, als man froh war über die Taschenbuch-Ausgaben. Da gab es Tauschzentralen für die Rucksack-Touristen, wie wir damals bezeichnet wurden. In Guatemala genauso wie in Kreta oder Sri Lanka. Man war irgendwie nie ohne Buch.
Reisen. Genau. Alleine diese ganzen Reisebücher, die Fernweh schafften. Ich habe keine Ahnung, wer die geschrieben hat und wie die hiessen – aber die haben mich ordentlich beeinflusst. Diesen Geschichten musste ich nachgehen. Nachreisen. Bis ich selbst solche Reise-Bändchen verfasste. Steht heute alles im Netz. Nix mehr mit geheimen Plätzen, die man nur dem geneigten Gleichgesinnten verriet. An diesen Geheimplätzen stehen heute 300 Campingbusse oder Time-Sharing-Betonmonster.
Beruf. Natürlich. Wieder unzählige Bücher gelesen. Das erste selber geschrieben. Über den ersten Beruf, eine Berufsgruppe, die es inzwischen gar nicht mehr gibt. Druckformenherstellung und Repro-Photographie. Danach stieg ich ja das erste Mal um, studierte Werbung und Marketing, las das erste Buch eines Amis – und flog über den Teich. Am liebsten hätte ich den ganzen Harvard-Bookstore leer gekauft. Aber sowas unvorstellbar Riesiges nur mit Büchern, das allein hat mich beeindruckt. Die Schriften von Ogilvy, Reeves oder Bob Stone auch. Das wären alleine schon viel mehr als zehn.
Edelfedern. Vorbilder. Da waren diese Journalisten, die so wunderbar schrieben. Die zitierten dann oft irgendwas. Der Meister dieser Zitate ist ja der Helmut A. Gansterer. Und dann schaut man halt nach, was diese Edelfedern so zitieren und hat vermutlich ganze Zehnerlisten von anderen. Frisch, Saint-Exupéry, Dürrenmatt, Wilder, Miller etc.
Kochen. Wein. Genuss. Naja, Kochbücher haben irgendwas Magisches für mich. Ich liebe sie einfach. Hunderte habe ich. Aus verschiedensten Zeit-Epochen. Man kann daraus manchmal besser geschichtliche Zusammenhänge verstehen, als mit Geschichtsbüchern. Dabei habe ich vermutlich noch kein einziges Rezept tatsächlich so nachgekocht, wie es da irgendwo drin steht. Sie dienen mir als Inspiration. Kochen ist für mich etwas Creatives. Das lass ich mir nicht nehmen – im Gegenteil die Rezepte regen mich an. Das beeindruckendste Werk ist aus einer adligen Familie. Kurrent, handgeschrieben. Akribische Köchin. Links immer die Zahl der Gäste, oft sogar namentlich angeführt, darunter was eingekauft werden musste. Rechts das Menü mit allen Rezepten. Grandios. Allerdings auch schwierig nachzukochen – Wer hat schon noch Möglichkeiten, Mehlspeisen mit 58 Eiern, in Gefässe bzw. ins Backrohr zu bringen ;-)
Weinbücher wirklich gelesen, habe ich erstaunlich wenige. Die, die ich verwende, sind eher Nachschlagewerke. Aber selbst da könnte ich nicht nur ein oder zwei benennen, weil jedes für woanders gut ist.
Liebe. Familie. Alleine die Bücher, die man im Lauf des Lebens von den Damen bekam, denen man aus irgendwelchen Gründen restlos verfallen war. Wieviele wären das wohl. Oder gibt es davon tatsächlich welche, die beeinflussten? Spannend darüber nachzudenken, stelle ich fest. Jetzt, logisch diesen ganzen Berater- und Esoterik-Schmarrn mal von vornherein ausgenommen. Kein Buch der Welt, sei es auch noch so eloquent formuliert, kann eine gescheiterte Beziehung retten. Man kann aus diesen Beratern auch nicht lernen, wie man ein Baby wickelt. Das muss man schon selbst schaffen. Auch sonstige Ratgeber halte ich für ziemlich entbehrlich, ausser für Autor und Verlag.
Vergessen.
Wie viele Bereiche habe ich da jetzt wohl vergessen. Die ersten „Wie repariere ich das selbst“ Bücher, nach denen wir den Käfer tatsächlich mit einem 13er Schlüssel und einem Schraubenzieher wieder zum laufen brachten. Ich erinnere mich auch noch, als ich in einem Interview nach dem Buch gefragt wurde, das ich im Regal stehen hätte aber nie gelesen. Und ich beim Gegenüber einen Lachanfall erzeugte, als ich Stowasser sagte.
Kunstbände, CCA-Jahrbücher, Film- und Theater-Bände, diese riesigen vererbten Schinken, für die man das Regal umbauen musste, wenn man sie nicht quer legen wollte, Meyers Lexikon in 24 Bänden - kurz nach der Jahrhundertwende erschienen - sowas schmeisst man ja nicht weg.
Bibel, Koran, Marx, Borodajkewitsch und alles, was sonst so ein Mosaiksteinchen in meinem Gehirn hinterliess und mich in Kombination mit meinem Erlebten formte. Aber nur zehn Bücher können das, meiner Meinung nach, nicht.
Nun gut. Ein Buch fiel mir gerade in die Hand. Das hat mich vielleicht doch tatsächlich beeinflusst. „Weltreise mit 19 PS“. Von einem Wolfram Block, der heuer seinen 90er feierte. Der fuhr doch tatsächlich mit dem Lloyd rund um die Welt. In dem Jahr, in dem ich geboren wurde.
Dieses Buch habe ich mit vielleicht 6 Jahren bei einem Kinderfasching am Eislaufplatz gewonnen. Und es hat mich fasziniert. Mein erstes Auto war dann tatsächlich ein Lloyd, wenn auch die TS-Ausführung mit sagenhaften 25 PS. Um die Welt bin ich damit nicht gefahren, eher das Gegenteil, ich war jedes Mal froh, wenn ich es damit bis in die Firma nach Ottakring schaffte. Um die Welt gereist bin ich anders, aber auch. Na gut, ein paar Fleckerln fehlen noch.
Muss wohl noch ein Buch kaufen, damit ich die auch noch bereise.
Vielleicht einen neuen Atlas...
© by Weinspitz_Helmut_Knall
last modified: 2014-09-23 18:46:17