Das Pendel schlägt irgendwann zurück.
Wer sich zu lange im Erfolg sonnt, verschläft neue Entwicklungen.
Mehr als 90 Prozent aller in der Österreichischen Gastronomie verkauften Weine stammen aus Österreich. Sagt eine aktuelle Studie. Darauf sind wir zu Recht stolz. Aber allmählich sollten wir wieder ein Stückerl weiter denken...
Bitte mitdenken... (Foto: J. Werfring)
Ja, ich weiss, ich lehne mich wieder einmal weit aus dem Fenster, aber das sind Sie, liebe Leser, ja schon gewöhnt von mir. Warum aber tue ich das? Nun, weil ich einerseits Patriot bin – und mich daher unglaublich freue, wenn auf meinem Schreibtisch Jubelmeldungen landen, in denen steht, dass in der Zwischenzeit bereits mehr als 90 Prozent aller in der heimischen Gastronomie verkauften Weine aus Österreich sind. Toll.
Ja, ich bin stolz darauf, dass unsere Winzer so geniale Weine machen. Und ich bin stolz darauf, dass wir alle – Sie als Gastronom, wir als Weinschreiberlinge und natürlich unsere Winzer mit den Super-Weinen, es geschafft haben, dass es gar kein Thema mehr ist, was zum Menü passt.
Es geht höchstens noch darum, ob der Gabarinza oder der Dürrau besser zum perfekt rosa gebratenen Stückerl Fleisch passt. Oder um die Feinabstimmung zum Fisch. Nehmen wir den Tement oder doch den Rudi Pichler. Ich finde das Super. Denn noch vor 10 bis 15 Jahren hätten wir überlegt, ob wir Bordeaux oder Brunello, Pinot Grigio oder weissen Burgunder nehmen.
Andererseits.
Jeder Weinliebhaber, der heute in der halbwegs gehaubten Gastronomie speist, hat seinen Keller voll mit genau diesen Weinen der heimischen Winzer-Elite. Und – er weiss, was diese Weine im Einkauf kosten. Daher entsteht schön langsam aber doch das Problem, dass genau diese Kunden, die es sich noch leisten können, sich über die Kalkulation Gedanken machen.
Und dann bestellt man den einfachen Zweigelt oder Blaufränkisch, denn die Lagenweine trinkt man nachher zu Hause...
Dazu kommt der Tourist. Der wiederum hat (leider immer noch) kaum Ahnung von den österreichischen Weinen. Das fällt speziell in den westlichen Regionen auf. Nun, den ersten und vielleicht auch den zweiten Abend findet er die Empfehlungen des Sommeliers toll. Freut sich, was Neues kennengelernt zu haben. Aber spätestens am dritten Abend hätte er gern mal Burgund, Brunello, Barolo & Co. So geht es auch dem inländischen Gast.
Hier und jetzt in Hintertux, Saalbach oder auch am Neusiedlersee, möchte man doch auch mal wieder was anderes. Man sieht in die Weinkarte. Nach 17 Seiten Wein aus Österreich kommt eine letzte Seite, die man auch mit „Kellerleichen“ übertiteln könnte. Da stehen dann ein paar Weine aus Frankreich, Italien und vielleicht noch irgendwas aus Übersee. Alles aber aus eher schwachen Jahrgängen und – wenn man sich ein bisserl auskennt, von Weingütern, die halt irgendwie bekannt klingen.
Ich verstehe das sogar. Denn wenn niemand danach fragt, kaufe ich das auch nicht mehr ein. Die Österreicher drehen sich ja von selbst. Warum soll ich jemandem mühsam erklären, dass gerade zu dem Lamm jetzt, der (womöglich noch viel günstigere) Grenache-Syrah-Mourvèdre aus Südfrankreich viel besser munden würde.
Kurz gesagt: Noch geht es. Bei meinen letzten Besuchen mit Freunden aus dem Ausland, kam aber immer öfter die Frage nach ausländischen Weinen. Und seien wir doch ehrlich, das Pendel schlägt jetzt seit mehr als 10 Jahren in Richtung Österreich. Aber jedes Pendel muss auch mal zurückpendeln. Und das tut es allmählich. Auch, wenn es uns nicht gefällt. Daher rate ich, schön langsam aber sicher, auch wieder ein paar Ausländer auf die Karte zu setzen. Und sei es nur, dass der einheimische Gast den Einkaufspreis nicht so genau weiss ;-)
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© by Weinspitz_Helmut_Knall
last modified: 2009-01-03 22:46:33