Ein ganz persönlicher Kommentar zu den Vorgängen in Italien.
Ein bisserl PR würde nicht schaden...
Ein Kommentar von Helmut O. Knall, entstanden in einem Hotelzimmer und vielleicht nicht ganz so aktuell informiert, wie Andreas März.
Helmut O. Knall ins Bild gesetzt von Petr Blaha.
OK. Ich gebe zu, ich bin ItaloViel. Ja ich meine, das so, wie ich es falsch schreibe. Speziell beim Essen und Trinken. Daher auch beim Wein.
Und ich gebe zu, ich liebe guten Brunello. Auch wenn es mir vom Consorzio del Vino Brunello di Montalcino manchmal ziemlich schwer gemacht wird. Die mögen mich nämlich nicht, weil ich manchmal (zu) kritisch schreibe. Was mich natürlich nicht hindert einen wirklich guten Brunello trotzdem zu lieben.
Das skurrile daran ist, dass ich als einer der wenigen Journalisten weltweit, gerade in Zeiten, wo meine Damen und Herren Kollegen blindlings schlecht recherchierte Artikel aus Italien einfach ab- oder umschreiben, die Arbeit des Consorzio verteidige.
Warum tue ich mir das eigentlich an?
Genau das frage ich mich, wenn ich aufgrund meiner Rechercherchen schreibe, dass man den wirklichen Wein-Panscher-Skandal nicht mit Überprüfungen in Montalcino vermischen sollte, in deutschen Internet-Wein-Foren geradezu verbal gesteinigt werde. Die machen keine g'scheite PR und ich muss mühsam recherchieren, und glaubt mir Leute, das ist nicht leicht in der Toskana.
Aber, weil ich halt so ein offener Typ bin, der dann auch bis spät nachts in meinem geliebten Beisl inmitten von Montalcino - gleich ums Eck vom Büro des Consorzio übrigens - stehe, wissend, dass es kein Taxi zu meinem ungeliebten Hotel Al Brunello gibt, mir also wieder einmal ein 20 Minuten Fussmarsch ins eiskalte Zimmer bevorsteht, (dieser Schachtelsatz muss erst einmal richtig zu Ende gebracht werden ;-)), genau deswegen kenne ich halt ziemlich viele Leute in Montalcino.
Die sind nämlich, so wie ich, auch in diesem einzigen liebenswerten Lokal. Winzer, die nicht so bekannt sind und Mitarbeiter von grossen Betrieben, die sehr bekannt sind. Die alle treffen sich dort. Und plaudern über dies und das.
Weil ich aber leider kein Boulevard-Journalist bin - obwohl ich dann endlich so viel verdienen könnte, dass ich nicht mehr nachdenken müsste, wenn meiner Tochter ein Ballkleid gefällt, das aber leider jenseits der Schmerzgrenze ausgepreist ist (und sie sieht wirklich bezaubernd darin aus) - ja, ich könnte ihr dann vielleicht sogar noch die passenden silbernen Tanzschuhe dazu kaufen - deswegen erfahren Sie, werter Leser dieser Zeilen, eben nicht, was diesen Mitarbeitern nach Mitternacht so heraus rutscht...
Leider auch nicht, was mir vor der Türe des Lokals - das Rauchverbot in Italien fördert die Kommunikation von Personen, die sonst nie miteinander parlieren würden ungemein - ein Mitarbeiter des untersuchenden Beamten in Siena erzählt hat.
Was ich Ihnen aber sagen darf...
...ist, das was in den offiziellen Stellungnahmen der betroffenen Betriebe steht. Das interessiert aber genau gar niemanden. Weil - eh logisch - ja niemand was Böses getan hat. Und weil das alles - so wie es dargestellt wurde - ja gar nicht stimmt. Es wurde ja gar nix beschlagnahmt, sondern "wir halten die Weine selbst zurück, damit die Behörden alles wirklich genau überprüfen können". Und so weiter.
Ich kann das natürlich nicht überprüfen. Tatsache ist allerdings, dass es bei den Überprüfungen nicht darum geht, ob andere Traubensorten in den Sangiovese Grosso - wie die Brunello-Sangiovese-Klone offiziell heissen - gemischt wurden, sondern um eine steuerliche Kontrolle. Um Hektar-Erträge und die dazu passenden oder vielleicht nicht ganz passenden Abrechnungen und Verkäufe.
Luftaufnahmen als Grundlage.
Die einen sagen mittels Luftaufnahmen, die Modernisten sagen mittels "Google-Earth", ist ja auch egal, jedenfalls kann man mit solchen Bildern von oben jeden einzelnen Rebstock zählen. Orwell hat sich nur im Jahr geirrt. Von diesen fotografierten und gezählten Stöcken kann man mit ein bisserl Grundwissen schätzen, wieviel Wein da am Schluss rauskommt. Denn auch die maximale Erntemenge ist ja vorgeschieben.
Das Problem, weswegen das Ganze jetzt so lange dauert - die Ermittlungen laufen ja seit spätestens Oktober letzten Jahres - ist, weil die Luftaufnahme ja nicht besagt, was der jeweilige Betrieb für Rosso oder Brunello verwendet. Und es daher nicht so eindeutig feststellbar ist. Woher ich das weiss? Das darf ich ja wieder nicht sagen, weil ich sonst in ein "schwebendes Verfahren" (klingt super - oder?) eingreifen würde. Oder eine vertraute Person ans Messer liefern müsste.
Aber wie steht es so schön in den Aussendungen der Betriebe: " Wir stellen den zuständigen Behörden alle nur erdenklichen Unterlagen zur Verfügung, damit unsere Unschuld so schnell wie möglich bewiesen werden kann."
Und in diesem Fall glaub ich denen sogar. Denn der Image-Schaden, der durch die diversen Artikel angerichtet wurde, kann selbst bei einer lückenlosen Aufklärung nie wieder gut gemacht werden. Deswegen müssen alle an einer positiven Lösung interessiert sein.
In Italien wird doch eh alles unter den Tisch gekehrt.
Nun, das ist sicher eine nicht ganz unberechtigte Aussage. Viel zu oft passiert es so. Und - jetzt feuere ich ganz bewusst wieder einmal eine Breitseite ab - die lahme Haltung und die schwammigen Aussagen von seiten des Consorzio könnten das denken lassen.
Seltsamerweise kommt von dort nämlich nicht eine Aussendung, in der das steht, was das Consorzio (vermutlich) wirklich getan hat. Nämlich, selbst die Unklarheiten aufgezeigt zu haben und ziemlich streng jeden einzelnen Weinberg, der für Brunello zugelassen ist, auch vor Ort zu kontrollieren - ja das tun die! Nein, es kommt eine ziemlich oberflächliche Meldung, dass man immer nur das Beste tue. (Und das liegt nicht an einer schlampigen Übersetzung, das ist im italienischen Original auch so).
Unschuldsvermutung.
Ja, die sollte doch bitte auch für Banfi, Antinori, Fresobaldi & Co. gelten. Denn bewiesen ist derzeit gar nichts. Und, was immer jetzt bei den Untersuchungen herauskommen wird. Der Image-Schaden ist da. Wenn auch in den "alten" Märkten, wie Deutschland, deutlich höher als in den "neuen", wie den U.S.A. oder Asien, aber er ist da.
Es gab keine vorbeugende PR-Arbeit, die vielleicht zweifelnde Journalisten rechtzeitig positiv eingestellt hätte - und, es gibt keine Krisen-PR, die sachlich informiert. Bis heute nicht. Das ist schade.
Denn dadurch hat man selbst als Verteidiger des Systems immer so ein komisches Gefühl im Hinterkopf. So frei nach dem Motto: "Warum sagen denn die nicht endlich was wirklich los ist?" Mit dem unguten Gefühl im Magen, dass man sich in den letzten 10-15 Jahren doch immer wieder einmal über die dunkle Farbe, das Pelzgoscherl oder die knackige Frische in heissen Jahrgängen gewundert hatte.
Verdammt, ich möchte doch positiv denken...
...und schreiben. Warum macht ihr es uns so schwer? Nach den Aussagen der Leute, die ich in Montalcino kenne, sind die Verfehlungen nicht wirklich schlimm. Zumindest könnte man von Betrugsvorwürfen in Jahren, wie 2003 leicht wegkommen, wenn man da von seiten des Consorzio - wohlgemerkt nur für den aktuellen Jahrgang - eine Sonderregelung macht und ein bisserl mehr Jahrgangsverschnitt zulässt. So, wie es anderenorts mit Aufsäuerung etc. gehandhabt wird.
Dann wäre das legal und täte dem Wein (und damit dem Image) gut. Vor allem, wenn man im Jahr davor sowieso einen Jahrgang hatte, in dem viele Produzenten gar keinen Brunello auf den Markt gebracht hatten.
Lauter Ruf nach Rebsorten-Verschnitt.
Diesen Ruf gibt es seit einigen Jahren. Vor allem von Produzenten, die in die sogenannte "Neue Welt" - allen voran die U.S.A. exportieren. Denn angeblich will man dort dunkle dichte Weine.
Seltsamerweise höre ich gerade von dort, dass der Trend zu autochthonen, regions- und sortenspezifischen Weinen geht. Gerade die "Amis" sind Cabernet- und Merlot-müde. (Dasselbe gilt für überholzte Chardonnays. Vielleicht gerade deshalb sind Grüner Veltliner und Riesling so erfolgreich).
Das Argument ist falsch. Auch wenn - im Moment noch - wichtige Medien, wie der Wine Spectator die Schoko-Vanille-Bomben loben, in kurzer Frist werden auch die vom "neuen Rotwein-Stil aus alten Sorten" schwärmen. Den Lesern erklären, dass Sangiovese genauso wie Burgunder eben nicht so dunkel sein können, wenn sie original gemacht wurden. Und genau da sollte die PR der Consorzien, egal ob Brunello, Chianti, Barolo oder Nerello Mascalese ansetzen.
Warum setzt ihr euch überhaupt dem Verdacht aus, dass da ein wenig Merlot, Cabernet, Petit Verdot oder Syrah drin ist? Aussendungen von Frescobaldi & Co., in denen steht, dass diese Sorten zwar in Montalcino gedeihen aber "immer nur" für die diversen IGT's oder Super Tuscans verwendet worden seien, sind halt manchmal wirklich schwer zu glauben.
Sagt doch einfach, dass eure Weine keine Merlots sind. Dass sie nicht die Farbe und den Pelz erzeugen können, wenn sie unverfälscht erzeugt wurden. Sagte den Journalisten und den Käufern, dass ein Sangiovese eben eine gewisse Säure hat, denn genau die macht ihn, zusammen mit mineralischer Struktur doch so spannend.
Setzt einen Teil eures Budgets ein, um den Leuten einmal zu erklären, wie richtiger Sangiovese, richtiger Brunello wirklich aussehen und schmecken sollte. Doch, das geht...
Denn ich kenne einige Beispiele, die es seit Jahren so machen und trotzdem in die ganze Welt exportieren.
Ihr habt - nicht nur in mir - unglaublich viele Anhänger in der Medienszene. Nutzt sie doch. Keiner von uns schreibt gerne "untypisch" oder "zu dunkel", "Merlot?" oder "überholzt" in seine Verkostungsnotiz.
Fragt uns einfach. Wir helfen euch gerne...
© by Weinspitz_Helmut_Knall
last modified: 2008-04-27 04:12:37